»The luck of a kennedy« – der kennedy-Mythos in Popsongs

Das tragisch verkürzte Leben John F. Kennedys fand gerade durch seinen gewaltsamen Tod neue Bedeutung in der amerikanischen Zeitgeschichte. Auch in der Popkultur wurden die Mythen um John F. Kennedy und seine Familie aufgegriffen und aufrechterhalten; mal als Symbol für Hoffnung, mal als Ende einer Ära oder als Referenz an eine beeindruckende und zugleich tragische Familiengeschichte. Vier Lieder aus vier verschiedenen Jahrzehnten eignen sich besonders gut, um die Bedeutung Kennedys in der Erinnerungskultur Amerikas vorzustellen.

Es ist sinnvoll mit dem Lied »High Hopes« von Frank Sinatra zu beginnen, da dies der älteste Song ist, der sich mit John F. Kennedy befasst. Der Text dieses Liedes wurde speziell für Kennedys Präsidentschaftskampagne 1960 geändert und von Sinatra neu eingesungen. Inhaltlich besteht er vorwiegend aus Schlagwörtern, die prägnant und eingängig ins Ohr und Bewusstsein des Hörers eindringen, wie beispielsweise die Parole:

 

Everyone wants to back – Jack

Jack is on the right track

Cause he’s got high hopes

1960’s the year for his high hopes

 

Kennedy steht hier für den Beginn einer neuen Dekade, einer neuen Ära, die Amerika wieder an die Spitze der Welt bringen soll. Hoffnung ist hier das operative Wort; Kennedys eigene Hoffnungen für die 1960er-Jahre sollen sich auf die Wähler und das ganze Land ausbreiten.

Die Kehrseite der Medaille wurde 1970 durch das Lied »God« von John Lennon beleuchtet. In diesem Lied rechnet Lennon mit allen Idolen, Göttern und Mythen ab, die in seiner Generation und seinem Leben von Bedeutung gewesen waren. Die 60er-Jahre sind nun vorbei, meint er, und mit ihnen all die Ideale welche diese Generation versucht hatte zu verbreiten. Verbittert und doch realistisch zieht er einen Schlussstrich unter die fulminante Dekade, die auch ihn selbst als großen Hoffnungsträger erkoren hatte:

 

I don’t believe in Jesus

I don’t believe in Kennedy [...]

I don’t believe in kings

I don’t believe in Elvis [...]

I don’t believe in Beatles [...]

The dream is over

 

Kennedy und die Ideale für die er stand sind nun tot; die Unschuld verloren; der Traum vorbei. Zusammen mit den Ermordungen Robert Kennedys und Martin Luther King jrs. 1968 hatten die Vereinigten Staaten ihre hellsten und wichtigsten Hoffnungsträger verloren. Was für Lennon nun bleibt ist Bitterkeit und Desillusionierung.

 

Die Frage »Wo warst Du als Kennedy umgebracht wurde?« wird in Lou Reed’s »The Day John Kennedy Died« aus dem Jahre 1982 thematisiert. Reed erzählt von einen Traum, in dem er den Tag der Ermordung Kennedys vergas. Der Erzähler beschreibt anschließend, wie er von Kennedys Tod erfuhr und welche Stimmung bei ihm und den Menschen in seinem Umfeld ausgelöst wurde.

 

I dreamed the perfect union and a perfect law, undenied

And most of all I dreamed I forgot the day John Kennedy died

I remember where I was that day, I was Upstate in a bar

The team from the University was playing football on TV

Then the screen went dead and the announcer said

There's been a tragedy

There's unconfirmed reports the President's been shot

And he may be dead or dying

Talking stopped, someone shouted »What«,

I ran out to the street

People were gathered everywhere saying

Did you hear what they said on TV

And then a guy in a Porsche with his radio hit his horn

And told us the news

He said, »the President's dead, he was shot twice in the head

In Dallas, and they don't know by whom«

 

Selbst im 21. Jahrhundert lassen sich Referenzen zu den Kennedys finden, wie beispielsweise in »Diane Young«, einem 2013 erschienenen Lied der New Yorker Band Vampire Weekend. Der Titel des Liedes allein spielt schon auf die Idee eines frühen Todes an, indem »dying young« mit Diane Young personifiziert wird. Der Text des Liedes befasst sich mit verschiedenen Arten früher Tode, darunter auch der eines unglücklichen oder gar tragischen Schicksalsschlags.

 

Irish and proud, baby, naturally

But you got the luck of a Kennedy

 

Die Errungenschaften der Kennedys wurden häufig von persönlichen Tragödien überschattet. Die Kennedy-Familie scheint geradezu notorisch für Unglück und tragische Umstände zu stehen und wird hier allegorisch für Letzteres angeführt.

 

Kennedy und die Erinnerungskultur, die um seinen Namen, sein Leben und seinen Tod entstanden ist, kann anhand der oben aufgeführten Lieder gut nachgezeichnet werden. Man kann eine Entwicklung von Jahrzehnt zu Jahrzehnt sowie Unterschiede in den Auffassungen der Mythen rund um Kennedy erkennen, angefangen mit Sinatra und den großen Hoffnungen der frühen 1960ern, zu Lennon und der Desillusionierung der 1970er, über Reeds Nostalgie und Trauer in den 80ern, bis hin zur leicht ironischen Referenz zur Tragik der Kennedy-Familie von Vampire Weekend im 21. Jahrhundert.

 

All dies ist auch ein Ausdruck der tiefgreifenden Bedeutung dieser politischen Figur in der Zeitgeschichte Amerikas. Kennedy nimmt vor allem durch seine Relevanz in der Popkultur eine einmalige Rolle in der Geschichte Amerikas und der Erinnerungskultur um US-Präsidenten ein. Kein Zweiter hat es geschafft, so tiefgreifend in das Bewusstsein mehrerer Generationen einzudringen und in ihnen Emotionen hervorzurufen. Die zahlreichen Referenzen zu Kennedy zeigen auf, wie er Zeit seines Lebens klug und bedacht mit Hilfe bestimmter Botschaften und Mythen an seinem Image arbeitete, aber auch wie nach seinem Tod die Erinnerung an den erschossenen Präsidenten aufrecht erhalten wird und das Interesse der Bevölkerung weiterhin besteht.

 

Linda Belschner

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