»AIN’T WE WOMEN?« – Black Feminism und das Konzept der Intersektionalität

»I am a Black Feminist. I mean I recognize that my power as well as my primary oppressions come as a result of my blackness as well as my womanness, and therefore my struggles on both of these fronts are inseparable.«

Audre Lorde

Die 1960er- und 1970er-Jahre stellten die USA sowohl außen- als auch innenpolitisch vor große Herausforderungen. Die Krisen und heißen Phasen des Kalten Krieges, das Aufkommen der Bürgerrechts- und Frauenbewegung, die anhaltenden Rassen- und Studentenunruhen, und nicht zuletzt die Attentate auf  John F. Kennedy und Martin Luther King, Jr. spalteten die Nation. Dies war der Nährboden für das Aufkommen des »Black Feminist Movement«, welches seine offizielle Geburtsstunde 1973 mit der Gründung der »National Black Feminist Organization« in New York hatte. Im gleichen Maße wie der »Second Wave Feminism« aus der Bürgerrechtsbewegung erwuchs, wie die feministische Aktivistin, Politikwissenschaftlerin und Autorin Jo Freeman konstatiert: »(…) the women’s liberation movement was the bastard child of the civil rights movement (…)«, fungierte der »Black Feminism« als eine Kontinuation oder vielmehr Reaktion auf das »Black Liberation Movement« sowie des »Women’s Movement«.

In den 1960er-Jahren begannen afroamerikanische Frauen ihre Stimme sowohl gegen den Sexismus und die Misogynie innerhalb der Bürgerrechtsbewegung und des »Black Liberation Movement«, als auch gegen den Rassismus innerhalb der Frauenbewegung zu erheben. Zum einen sahen sie sich nicht vollends in den Forderungen und Zielen ihrer weißen Mitstreiterinnen um Gleichberechtigung repräsentiert, zum anderen wurden sie auch immer wieder Opfer von Ausgrenzung und Unterdrückung innerhalb der verschiedenen Bewegungen. Aus der daraus resultierenden Erkenntnis und Überzeugung, dass die Lebensrealität einer afroamerikanischen Frau sich fundamental von derjenigen einer weißen Frau unterscheidet, solidarisierten sie sich unter der Denkschule des »Black Feminism«. Entscheidend für sie war das Bewusstsein, dass die Geschichte und Erfahrung der Sklaverei und der damit zusammenhängende, jahrhundertelange Missbrauch und die Stigmatisierung des afroamerikanischen, weiblichen Körpers im gesellschaftlichen System der »White Supremacy« ihre eigene, spezifische Lebenswirklichkeit und die Grundlage ihres Protests formten.

Das Konzept der Intersektionalität bildete seit Beginn der Bewegung, ob im praktischen Verständnis oder seit 1989 – geprägt von der Juristin Kimberlé Crenshaw – auch in der Theorie den tragenden Unterbau des »Black Feminism«. Crenshaw macht deutlich, dass »(…) any analysis that does not take intersectionality into account cannot sufficiently address the particular manner in which Black women are subordinated.« Der Kerngedanke der Intersektionalität besagt, dass Rassismus, Sexismus und Klassismus unweigerlich miteinander verbunden sind und in der erlebten Realität afroamerikanischer Frauen im Zusammenspiel als Ganzes erfahren werden. Die Feministin Barbara J. Smith betont die Synthese der verschiedenen Formen der Unterdrückung, Marginalisierung und Diskriminierung: »The concept of the simultaneity of oppression is still the crux of a Black feminist understanding of political reality and, I believe, one of the most significant ideological contributions of Black feminist thought.« Afroamerikanische Aktivistinnen verkörperten die Logik dieser Synergie und kämpften an mehreren Fronten gegen die Fesseln einer hetero-patriarchal geprägten Gesellschaft, gegen strukturellen und institutionellen Rassismus und traten für mehr soziale Mobilität in der amerikanischen Klassengesellschaft ein. Zentrale Themen und Motive der Bewegung waren unter anderem die Erschaffung einer selbstbestimmten weiblichen und zugleich afroamerikanischen Identität,  Bildungschancen und faire Arbeitsbedingungen, Armut und Ghettoisierung, die Rolle als Mutter und Hausfrau, sexuelle Identität und Homophobie, reproduktive Rechte, Vergewaltigung und Sterilisationsmissbrauch, Krankheit und Behinderung.

Berühmte Vertreterinnen des »Black Feminism«, wie z. B. Audre Lorde, bell hooks, Angela Davis, Patricia Hill Collins und Alice Walker etablierten sich nicht nur als intellektuelle Sprachrohre der Bewegung, sondern stehen auch für die Verschränkung von Theorie und Aktivismus. Die Integration von »Black Women Studies« Mitte der 1980er-Jahre in das Studienangebot an US-Universitäten sowie die Gründung von sozialen Initiativen und Organisationen wie dem »Combahee River Collective« 1974, dem NCBW (National Congress of Black Women) 1984, dem WOCN (Women of Color Network) 1997 und WAOD (What About Our Daughters) 2007 sind Meilensteine auf dem noch langen Weg zu mehr Sichtbarkeit, Anerkennung, Gleichberechtigung und Chancengleichheit.

Nadine Birner