»Good Bobby« for President: Warum sich Robert Kennedy dazu entschloss, an den Vorwahlen der Demokraten teilzunehmen

Bei dem Jahr 1968 handelt es sich nicht um ein gewöhnliches Jahr in der Geschichte der USA: Innerhalb des Landes kommt es zu schweren Ausschreitungen und Rassenunruhen, außerhalb eskaliert der Vietnamkrieg weiterhin. Hierbei können die innenpolitischen Probleme nicht als unabhängig von den Geschehnissen in Vietnam betrachtet werden, vielmehr standen beide Vorgänge in einer engen Verbindung zueinander. So wurde der Krieg entweder als Ursache für die gesellschaftlichen Probleme innerhalb des Landes oder als Resultat einer ins Wanken geratenen Gesellschaft angesehen.

Auch auf Robert Kennedy hatte der Vietnamkrieg einen großen Einfluss. Gemäß seiner Gattin Ethel seien es hauptsächlich die Geschehnisse in dem südostasiatischen Land gewesen, die ihn dazu bewogen, in die Vorwahlen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur einzusteigen. Diese Entscheidung fiel Robert Kennedy allerdings keinesfalls leicht, er zögerte und haderte. Zum einen konnte er sich aufgrund seines problematischen Verhältnisses zum amtierenden Präsidenten Lyndon B. Johnson lange Zeit nicht zu einer offenen Kritik an dessen Vietnampolitik durchringen. Er befürchtete, den Präsidenten dadurch zu provozieren und ihn zu Handlungen zu verleiten, die zu einer weiteren Eskalation der Situation in Vietnam führen würden. Außerdem erschien eine Herausforderung eines amtierenden demokratischen Präsidenten als unangebracht.


Was bewog RFK dennoch dazu, sich als Antikriegskandidat der demokratischen Partei aufstellen zu lassen? Ein zentraler Faktor war dabei die TET-Offensive Nordvietnams ab dem 30. Januar 1968. Sie verdeutlichte, dass das ursprüngliche Ziel, den Einfluss des Nordens in Südvietnam einzudämmen, gescheitert war. Die Bilder der von Vietcong-Kämpfern verwüsteten amerikanischen Botschaft in Saigon beunruhigte nicht nur die politische Elite des Landes, vielmehr zweifelten nun auch zunehmend die Medien und die breite Öffentlichkeit an den Erfolgsaussichten der amerikanischen Pläne für Vietnam. Die Maßnahme der Regierung, den Einsatz in Vietnam daraufhin weiter auszuweiten und damit auch zu amerikanisieren, verstärkte diese Bedenken noch. Robert Kennedy, der sich in den vorangegangenen Jahren verstärkt den Interessen der Minderheiten angenommen hatte (Lesen Sie hierzu: Justizminister Robert F. Kennedy und die Bürgerrechtsbewegung), bemängelte außerdem, dass die dadurch verursachten erhöhten militärischen Ausgaben bei der Beseitigung von Missständen innerhalb des Landes fehlten. So grassierte aufgrund von gesellschaftlicher Diskriminierung und Perspektivlosigkeit unter weiten Teilen der afroamerikanischen Bevölkerung elende Armut. Ohnehin waren es hauptsächlich die einkommensschwachen Schichten, welche beim Einsatz an der Front den höchsten Blutzoll entrichteten. Diesen amoralischen Aspekt des Krieges erweiterte Kennedy auch auf den Einsatz US-amerikanischer Truppen gegen Nordvietnam: »The most powerful country in the world now turns its strength upon a small and primitive land.« Eng damit war die Befürchtung verbunden, das immer weiter ausufernde Vorgehen in Vietnam sowie all dessen negative innenpolitische Auswirkungen könnten dem Selbst- und Werteverständnis der Vereinigten Staaten nachhaltig schaden. Hierbei lässt sich auch nicht ausschließen, dass dem vormaligen engen Berater Präsident Kennedys daran gelegen war, das Erbe seines Bruders zu korrigieren. Dieser hatte während seiner Amtszeit nämlich verstärkt militärische Berater nach Südostasien entsendet und somit den Grundstein des amerikanischen Engagements in Vietnam gelegt.


Im März 1968 trat eine unvorhergesehene Überraschung in den Vorwahlen ein: Der Antikriegskandidat Eugene McCarthy, der das Wagnis eingegangen war und gegen einen Präsidenten aus der eigenen Partei kandidierte, unterlag Lyndon B. Johnson in New Hampshire nur knapp. Diesen Erfolg nahm Kennedy offiziell zum Anlass, seine eigene Kampagne zu lancieren. Insgeheim hoffte er, dass seine Kandidatur nun nicht mehr als persönliche Fehde, sondern vielmehr als Teil eines gesellschaftlichen Umschwungs gesehen werden würde. Dennoch ist in der zweifachen innerparteilichen Herausforderung ein Grund dafür zu sehen, warum Lyndon B. Johnson den Entschluss fällte, sich 1968 nicht erneut zur Wahl zu stellen.


Beide »doves« verband eine ähnliche Politik hinsichtlich Vietnam: Sie plädierten für Friedensverhandlungen sowie die Einbeziehung der UN in den Prozess der Deeskalation, lehnten aber einen sofortigen, unilateralen Rückzug der Vereinigten Staaten ab. Als Ziel gaben sie die Souveränität Südvietnams an, wobei beide die Beteiligung der nordvietnamesischen Regierung an der Führung Südvietnams – im Gegensatz zu Präsident Johnson – akzeptierten. Fest steht aber auch, dass sich weder Kennedy noch McCarthy auf eine Zusammenarbeit einigen konnten, für keinen kam es infrage, sich aus dem Rennen zu verabschieden. RFK, der in einem leistungs- und wettkampforientierten Umfeld aufgewachsen war, begründete sein Verhalten auf ebenso schlichte wie prägnante Weise: »Kennedys don’t act that way.«


Zu der dramatischen Wende im Vorwahlkampf kam es dann am 6. Juni 1968: Robert Kennedy wurde im Ambassador Hotel in Los Angeles erschossen. Dieses Ereignis erschütterte die Antikriegsbewegung, welche damit einer ihrer zentralen Figuren beraubt worden war: Nach Johnsons Ausscheiden rückte der bisherige Vizepräsident Hubert Humphrey an dessen Stelle. Er machte schließlich das Rennen um das »ticket« der Demokraten, unterlag dann aber dem Republikaner Richard Nixon in der Präsidentschaftswahl chancenlos.


Es ist nicht möglich, im Nachhinein zu bestimmen, ob Robert Kennedys Streben nach dem Amt des Präsidenten erfolgreich gewesen wäre. Ohne Zweifel verfügte er jedoch über die für eine erfolgreiche Kampagne erforderlichen finanziellen Mittel. Auch konnte er auf ein dichtes Netzwerk von gesellschaftlichen und politischen Verbindungen zurückgreifen, was ihm ein enormes Machtpotential einbrachte. Sicherlich war es für sein Streben nach dem Amt des Präsidenten auch von Vorteil, dass er von der Anziehungskraft der Kennedy-Familie umgeben war. Mehr noch verband man ihn in der öffentlichen Wahrnehmung unmittelbar mit seinem ermordeten Bruder John. (Erfahren Sie mehr in dem Blogeintrag »Mein Bruder und ich« - Die besondere Beziehung John F. Kennedys zu seinem Bruder) Daher ruhte die Hoffnung auf ein Amerika ohne Gewaltexzesse und Diskriminierung – schlichtweg die Hoffnung auf ein besseres Amerika – zweifellos auf ihm.

Laura Dattge

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