Jack und Dick – die verschwiegene Freundschaft von Kennedy und Nixon

Recherchiert man zu John F. Kennedy und Richard Nixon, stößt man zuerst auf den Präsidentschaftswahlkampf von 1960. In das kollektive Gedächtnis hat es insbesondere das erste TV-Duell der US-Wahlkampfgeschichte geschafft. Im ersten von vier Aufeinandertreffen, am 26. September 1960 in Chicago vor 70 Millionen Fernsehzuschauern, stand ein gebräunter und selbstbewusster Kennedy einem Kandidaten der Republikaner gegenüber, der sich im grauen Anzug kaum vom Hintergrund abhob und nach einem Krankenhausaufenthalt sichtbar mitgenommen aussah. Dieser augenscheinliche Kontrast setzt sich in den persönlichen Biographien fort: Kennedy, als Sohn eines Multimillionärs aus Neuengland, genoss eine Ausbildung in Harvard, wohingegen Richard Nixon am kleinen Whittier College in Kalifornien studierte und – wie zu High-School-Zeiten – weiterhin im Lebensmittelmarkt seiner Familie aushalf.


So sehr diese Unterschiede im Fokus stehen, wenn das Verhältnis von Kennedy und Nixon betrachtet wird, so gibt es doch auch Gemeinsamkeiten, die eine respektvolle Freundschaft bis zum Präsidentschaftswahlkampf ermöglichten. Beide dienten während des Zweiten Weltkrieges im Pazifikraum und politisch standen sie den New Dealern kritisch gegenüber. Die Ambitionen beider waren schon früh auf ein hohes Amt ausgerichtet, und die Außenpolitik war für Nixon und Kennedy von besonderem Interesse. Die Vision eines starken Amerikas mit unnachgiebiger Haltung gegenüber dem Kommunismus bestimmte ihr Denken. Im April 1947 waren beide bereits Kongressabgeordnete und trafen erstmals bei einer Debatte zu nationaler Politik in Pennsylvania aufeinander, zu der sie als vielversprechendste Vertreter der jeweiligen Partei eingeladen wurden. Im Anschluss unterhielten sich beide, so heißt es, in einem Diner über Baseball, bevor sie gemeinsam einen Nachtzug nach Washington nahmen. Jack und Dick, so die Spitznamen beider, waren zudem im Ausschuss für Bildung und Arbeit, was weitere Gespräche und ein engeres Verhältnis mit sich brachte. Im Sommer 1950 betrat John F. Kennedy Nixons Büro, um einen Scheck über 1000 Dollar von seinem Vater zu überreichen, der bei der Finanzierung von Nixons Wahlkampf zum Senator helfen sollte. Denn politisch hatten beide erstaunlich ähnliche Vorstellungen. Am Silvesterabend des Jahres 1959 sagte John im Kreise von Freunden, dass er für Nixon als Präsident stimmen würde, falls die Demokraten ihn nicht als Kandidaten aufstellen sollten.

Im Januar 1953 wurde Kennedy als Senator vereidigt, während Nixon die Vizepräsidentschaft unter Eisenhower antrat. Von nun an waren beide Zimmernachbarn im Bürogebäude des Senats, mit Kennedy in Raum 362 und Nixon in Raum 361, denn als Vizepräsident wurde Nixon verfassungsgemäß auch die Rolle als Senatspräsident zuteil. Diese unmittelbare Nähe intensivierte wiederum das freundschaftliche Verhältnis, woraus einige verblüffende Entwicklungen folgten. Nixon unterstützte die Bewerbung Kennedys für eine Mitgliedschaft im Burning Tree Golf Club, indem er eine Empfehlung aussprach. Zur Hochzeit von Kennedy und Jacqueline Lee Bouvier war auch Nixon eingeladen, jedoch konnte er wegen eines Termins in Denver nicht erscheinen. Zudem lud Jack seinen Freund Dick als einzigen Republikaner zu seinen Geburtstagsfeiern im Büro ein, woraufhin dieser dann als Beobachter im Raum stand und sich über die Beliebtheit des Gastgebers wunderte.

Das Verhältnis verschlechterte sich, als feststand, dass sie sich als Anwärter für das Präsidentenamt gegenüberstehen würden. Die Nähe der Arbeitsplätze wurde nun lästig, und jede Begegnung hatte einen unangenehmen Beigeschmack. Während man dem jeweils anderen zuvor mit kleinen Schreiben zu Wahlsiegen gratuliert hatte, gönnte man sich von nun an nichts mehr. Vorkommnisse aus der Vergangenheit wurden geleugnet, wie beispielsweise die Wahlkampfspende an Nixon durch Kennedys Vater Joseph aus dem Jahr 1950. Nixon wurde teilweise von Kennedys Wahlkampfstrategien kalt erwischt. Am Tage des vierten TV-Duells berichteten die Zeitungen von Kennedys Forderung nach mehr Unterstützung für Kuba-Rebellen im Kampf gegen Castro. Genau dies plante jedoch die Eisenhower-Nixon Administration bereits im Geheimen mit der CIA. Der Vizepräsident konnte dies jedoch nicht richtigstellen und musste so der Kritik am weichen Kurs gegen Kuba ohne sein stärkstes Argument begegnen. Nixon kannte die Umstände des Wahlkampfs und ihm war klar, dass die Freundschaft nun nicht mehr viel zählte, jedoch ging ihm dieses Vorgehen Kennedys zu weit, da es die nationale Sicherheit gefährdete. Diesen Schachzug des Gegenkandidaten nahm er persönlich.

Ohne die vorhergehende Freundschaft wäre es denkbar, dass Nixon die Wahl von 1960 gewonnen hätte, die eine der knappsten der US-Geschichte werden sollte. So ließ er den unnachgiebigen Biss aus früheren Wahlkämpfen vermissen und bezog sich beispielsweise nie auf Kennedys zahlreiche Affären. Zudem machte er Kennedys schlechten Gesundheitszustand, von dem er sehr wohl wusste, nie zu einem zentralen Eckpfeiler seiner Kampagne. Und trotz zumindest verdächtiger Stimmenauszählungen zugunsten des Demokraten in Chicago und Texas, ging er nicht dagegen vor, weil er der Ansicht war, dass es sich die USA nicht leisten konnten, die Legitimität des Präsidenten anzuzweifeln, während sie sich im globalen Wettstreit mit dem Kommunismus befanden.

Viktor P.