Wettrüsten mit Nächstenliebe – Das Friedenscorps

Als John F. Kennedy am 20. Januar 1960 als 35. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika eingeschworen wurde, war seine Antrittsrede von Aufforderungen statt Versprechungen an die Nation geprägt. Mit den bekannten Worten, »Fragen Sie nicht was ihr Land für Sie tun kann, sondern was Sie für Ihr Land tun können«, endete seine Rede, die zu zivilem Einsatz für Frieden und Fortschritt aufrief. Mit seiner Antrittsrede wendete sich Kennedy nicht nur an die Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika, sondern ebenso an die vielen Nationen, die an den »Erfolg der Freiheit« glaubten.

 

Viele Abschnitte seiner Amtsantrittsrede lassen sich auf das nur wenig später gegründete Friedenscorps beziehen: Der frisch gewählte Präsident adressierte seine Worte an die Ärmsten der Welt, die »in Hütten und Dörfern überall auf der Welt kämpfen, die Fesseln der Massenarmut zu zerstören«. Im Namen der Vereinigten Staaten von Amerika verspricht Kennedy in diesem Punkt größtmögliche Unterstützung. Bis heute ist das damals ins Leben gerufene Konzept der »Hilfe zur Selbsthilfe« ein Grundgedanke der Entwicklungszusammenarbeit.

 

Ausgerechnet die Sowjetunion, seinerzeit der größte Gegenspieler der USA, hatte die Entsendung junger Freiwilliger in Entwicklungsländer etabliert; die Vereinigten Staaten wollten der Sowjetunion in nichts nachstehen. Die bereits im Januar 1960 von Senator Hubert Humphrey und dem Kongressabgeordneten Henry Reuss vorgestellte Idee des Friedenscorps wurde auf Kennedys dringlichen Wunsch zwei Monate nach seinem Amtsantritt eingerichtet. An der Spitze der Friedenscorps stand Kennedys Schwager R. Sargent Shriver, der maßgeblich an der Konzeption des Projekts beteiligt war. Die damals entworfenen Grundregeln gelten bis heute: Das jeweilige Land muss das Friedenscorps einladen, das Friedenscorps wählt die Einsätze selbst nach Dringlichkeit aus, die Sicherheit der Freiwilligen muss zudem gewährleistet sein.

 

Neben der christlichen Nächstenliebe im Sinne Jesajas, auf die Kennedy sich in seiner Ansprache bezieht, kann die Gründung des Friedenscorps daher auch als taktischer Schritt verstanden werden. Auf politischer Ebene wurde das Friedenscorps genutzt, um das Amerika-Bild in den politisch-neutralen Ländern auf der ganzen Welt positiv zu beeinflussen. Die Freiwilligen sollten mit ihren Werten und ihrem Pioniergeist, besonders für die Nachbarn in Südamerika, zum Vorbild werden. Manch Konservativer befürchtete allerdings, dass der Sozialismus negativen Einfluss auf die jungen Amerikaner haben würde, und auch in den Einsatzgebieten war nicht jeder von den amerikanischen Einflüssen im eigenen Land begeistert.

 

Deutlich wird, dass Kennedy mit seiner Rede vom 20. Januar 1961 das kollektive Bewusstsein dafür schärfte, dass es in den Händen seiner Mitbürger, mehr als in seinen liegen würde, ob die Politik »letztendlich erfolgreich sein oder scheitern wird«. In diesem Sinne erstaunt es nicht, dass in der US-amerikanischen Bevölkerung die Idee eines freiwilligen Auslandsdienstes nicht nur von Studierenden und jungen Absolventen der verschiedensten Fachrichtungen mit Begeisterung aufgenommen wurde, sondern auch von vielen älteren Bürgern. Dementsprechend schrieb Shriver im Juni 1962 an Kennedy: »Es gibt mehr Großeltern im Friedenscorps als Teenager«. Entgegen Shrivers Kommentar sind heute, nach eigenen Angaben, lediglich 8% der Freiwilligen über 50 Jahre alt. Gleich geblieben ist die Begeisterung für die Idee – bis heute erfreut sich das Friedenscorps, genau wie das deutsche Pendant, die »Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit« (ehemals Deutscher Entwicklungsdienst) reger Beteiligung durch Freiwillige.

 

I. Demin