Der Journalist John F. Kennedy

Richard Nixon notierte bereits im Alter von zwölf Jahren: »Vielleicht gehe ich in die Politik, dort kann ich Gutes für die Menschen bewirken.« Doch nicht jeder zukünftige Bewohner des Weißen Hauses konnte bereits in diesem zarten Alter eine solch zutreffende Prognose für sein weiteres Leben treffen. Manch einer hatte ganz andere Vorstellungen und Ziele.


John F. Kennedy war bereits als Kind fasziniert von Geschichte. Da er aufgrund seiner schwachen Gesundheit viel Zeit im Bett verbringen musste, entwickelte er eine Liebe zum Lesen. So konnte er seine Schulkameraden mit breitem Allgemeinwissen beeindrucken. Seine Mutter Rose notierte später: »Jack faszinierte Geschichte von all meinen Kindern am meisten. Sie war der Inhalt seiner Lektüre, seiner eigenen Schriften und seines Lebens.«

 

Als sich Kennedy in Harvard einschrieb, entwickelte er schnell journalistisches Talent und verfasste mehrere Artikel für die Zeitschrift »Harvard Crimson«. Er stach nicht durch besondere akademische Leistungen heraus, aber aufgrund seiner herausragenden sozialen Kompetenzen wurde er schnell zu einem beliebten Studenten. Den Schwerpunkt seiner Studien legte er, seinen Interessen naheliegend, auf Politik und Geschichte.

 

Unterstützt durch seinen Vater Joseph P. Kennedy, der zuvor Botschafter in London gewesen war, schrieb er seine Abschlussarbeit über »Appeasement in München«. 1940 erschien die These in überarbeiteter Version unter dem Titel »Why England slept« und verkaufte sich über 80.000 mal. Der Vater gehörte zum Lager der Isolationisten und lobte die Appeasement Politik Chamberlains, außerdem stellte er sich klar gegen einen möglichen Kriegseintritt der USA. Allmählich, aber doch unübersehbar, distanzierte sich Kennedy von der politischen Position des Vaters. Allerdings versuchte er, keine allzu offene Ablehnung durchscheinen zu lassen und verkaufte die bereits gescheiterte Appeasement Politik als »das unvermeidliche Ergebnis von Bedingungen, die keine andere Entscheidung zuließen.« Das Buch trug entschieden dazu bei, dass Jack sich als ernst zu nehmende Persönlichkeit etablierte.

 

1944 starb sein Bruder Joe, der politische Hoffnungsträger der Familie, bei einem militärischen Einsatz. Somit stand fest, dass der zweitälteste Sohn den Platz des Verstorbenen einnehmen musste. Zuvor reiste Jack anlässlich der Gründungsfeierlichkeiten der Vereinten Nationen 1945 noch nach San Francisco, um als Korrespondent der in Chicago ansässigen »Herald Tribune« seiner großen Leidenschaft nachzugehen und auf internationalem Parkett Augen- und Ohrenzeuge zu werden. Danach folgte eine journalistische Reise nach Deutschland zur »Potsdamer Konferenz«. Dies sollten die wichtigsten Stationen seiner journalistischen Karriere werden.

 

Schluss mit dem Journalismus war, als der 11. Bostoner Kongress gewählt wurde. 1947 zog John F. Kennedy in den Kongress ein. Er versuchte seine Arbeit gut zu machen, doch es fiel ihm nicht leicht: »Ich war schließlich für den Job nicht ausgebildet. Ich hatte ihn mir nicht ausgesucht.« Im Angesicht des übermächtigen Vaters, hatte er keine Möglichkeit gehabt, frei zu entscheiden, in welche Richtung er sein Leben steuern wollte.

 

Seine Leidenschaft für das Schreiben und die Geschichte gab er aber auch als junger und nun auch verheirateter Kongressabgeordneter nicht auf. 1956 erschien »Profiles in Courage«, wofür er 1957 den Pulitzer Preis in der Kategorie »Biografie« erhielt. Das Werk befasst sich inhaltlich mit Politikern, die sich gegen die Linie ihrer Partei oder die öffentliche Meinung gestellt und somit »Zivilcourage« – unter diesem Titel erschien das Werk in Deutschland – bewiesen hatten.

Aber auch die Art und Weise, mit der er später sein Präsidentenamt ausfüllte, erzählt von seinem Geschick mit den Medien umzugehen und sie für sich zu nutzen. Sein Pressesprecher und Redenschreiber Ted Sorensen berief ein »akademisches Beratungskomitee« bestehend aus Wirtschafts- und Politikwissenschaftlern ein. Dies trug zum allgemeinen Eindruck bei, Kennedy habe neue und rationale Herangehensweisen an die Probleme des 20. Jahrhunderts in der amerikanischen Politik geprägt.

 

Alle Kinder der Kennedys erhielten mit ihrer Volljährigkeit Zugang zu einem Treuhandvermögen. So hätte sich John F. Kennedy, auch angesichts seiner gesundheitlichen Leiden, ein ruhiges Leben machen können. Da man jedoch in dieser Familie nur »Sieger« erwartete, und es hieß »entweder das Scheißhaus oder das Schloss«, konnte er im Grunde nicht anders, als sich für einen Lebensweg zu entscheiden, der, wäre der älteste Bruder nicht verstorben, vielleicht ganz anders verlaufen wäre.

 

Laura Wurth