Aus dem Tod wächst Leben: Der Triumph des Liberalismus

Die Wahl von John F. Kennedy brachte im November 1960 nach der Präsidentschaft des Republikaners Dwight D. Eisenhower eine neue Epoche des amerikanischen Liberalismus mit sich. Direkt zu Beginn seiner Amtszeit schuf Kennedy die Grundlage für ein neues und umfassendes Sozialhilfeprogramm, um die Armut und Ungerechtigkeiten zwischen verschiedenen Gruppen im Staat auszugleichen. Vor allem setzte er sich für die Bürgerrechte und die Gleichstellung der Rassenminderheiten in der amerikanischen Gesellschaft ein. Diese neue Initiative, »The New Frontier«, war ein koordinierter Ansatz, die sozialen Probleme in den USA zu verbessern. Daher wurden verschiedene staatliche Programme ins Leben gerufen – staatliche Unterstützung für Senioren und Bedürftige, Stipendien für Studenten und mehr Geld für Forschung an den Universitäten sowie Antidiskriminierungsgesetze.


Obwohl Kennedys Politik vom Kongress unterstützt wurde, stellte sein plötzlicher Tod ein mögliches Hindernis, für die Umsetzung der bevorstehenden Neuerungen dar. Da Kennedy und Lyndon B. Johnson, der ehemalige Vizepräsident und Kennedys Nachfolger, nicht immer einer Meinung gewesen waren, gab es eine Ungewissheit unter den Staatsmännern in Washington, ob Johnson Kennedys Politik fortsetzen würde. Er übernahm dennoch die Wünsche und Pläne seines Vorgängers. Auf seine Initiative hin wurde »The New Frontier« zum Programm der
»Great Society« erweitert. Johnsons erstaunlicher Erfolg in der Durchführung seiner Ideen ist beispiellos in der modernen amerikanischen Politikwelt, da 96% seiner vorgeschlagenen Gesetze vom Kongress angenommen und verabschiedet wurden, d.h. über 230 Gesetze und Programme.

 

Aber wie war das möglich? Vermutlich trug die Trauer um den jähen Tod Kennedys, genau ein Jahr vor der Wahl 1964, zu einem haushohen Sieg der Demokraten bei. Für die Liberalen in der Demokratischen Partei übertraf die Wahl 1964 alle Erwartungen: ein neuer Präsident, der Demokrat Lyndon B. Johnson und zwei Zweidrittelmehrheiten in beiden Kammern des Kongress. Die Republikaner wurden eine machtlose Minderheit. Sie verloren 36 Sitze im Repräsentantenhaus und zwei Sitze im Senat. Dadurch war es den Liberalen nun endlich möglich, die zweite, radikalere Hälfte der ursprünglich von Kennedy geplanten Maßnahmen durchzusetzen.

 

Der unerwartete Tod Kennedys trug so indirekt zum Erfolg Johnsons maßgeblich bei. Obwohl der republikanische Kandidat Barry Goldwater sehr konservativ war und radikale Ideale verfocht, reicht dies nicht, um den beeindruckenden Sieg der Demokraten zu erklären. Kennedys Popularität während seiner Präsidentschaft, wurde nach seinem Tod noch größer und mythologisiert. Die Demokraten beeinflussten die Gefühle der Öffentlichkeit dahingegen, einen »Gegner« gemeinsam besiegen zu können und verbanden dies explizit mit der Sicherung von Kennedys politischem Erbe.

 

Dennoch wäre es wahrscheinlich auch ohne solch große Mehrheit möglich gewesen, jene Politik umzusetzen. Das damalige politische Klima in den USA war den Demokraten ohnehin zuneigt. Die Wähler glaubten noch an der Absicht des Staats, den Notleidenden zu helfen und die zwiegespaltene Gesellschaft zu versöhnen. Die konservativen Pläne der Republikaner waren daher von Anfang an von Nachteil. Insbesondere erschrak die Öffentlichkeit Goldwaters Bereitschaft, Atomwaffen ohne Rücksicht im Krieg zu verwenden. Dies war eine gute Möglichkeit für Johnson, seine Gunst beim Wähler zu stärken. Dieser Versuch wird am besten in der berühmten Wahlwerbung »Daisy« illustriert.

 

Die Umsetzung des Programms der »Great Society« wäre jedoch viel schwieriger gewesen und hätte viel mehr Zeit in Anspruch genommen ohne den großen Wahlerfolg der Demokraten. Deshalb war das Kennedy-Attentat ironischerweise eine Begünstigung für seine Vision. Diese konnte relativ schnell und mit einer machtlosen Opposition erreich werden. Der postume Triumph von John F. Kennedys Wandlung der Vereinigten Staaten verleiht seinem Mythos Glaubwürdigkeit und unterstreicht die Wahrnehmung seiner als eine inspirierende und mächtige politische Figur sowohl während seines Leben als auch nach seinem Tod.

 

DD