JFK, der Dauerpatient

Von außen betrachtet, besonders auf Photographien, wirkte John F. Kennedy wie ein charismatischer, fitter Mann im besten Alter, der aktiv war und gerne Sport trieb. Doch die erst vierzig Jahre nach seinem Tod durch den Historiker Robert Dallek veröffentlichten Krankheitsakten zeichnen eine Leidensgeschichte nach, die man dem damaligen Präsidenten keinesfalls angesehen hat.

 

Bereits mit zwei Jahren wurde der kleine John auf Grund von Scharlach zwei Monate stationär behandelt. Während seine Mitschüler des katholischen Internats Canterbury Football spielten, musste John viel zu oft das Bett des Internatskrankenhauses hüten. Er hatte Asthma sowie diverse Allergien und musste seine Footballleidenschaft wegen Rückenproblemen aufgeben. Des Weiteren wurde bei dem erst Dreizehnjährigen ein länger andauerndes, nicht definierbares Leiden festgestellt. Symptome waren unter anderem ständige Müdigkeit, Gewichtsverlust und auch Wachstumsstörungen, die ihm dazu noch Knieschmerzen bescherten. Auch seine Zeit an der Harvard University war geprägt von ständiger Krankheit, besonders von Darmproblemen. Die deswegen verabreichten Steroide trugen nur mäßig zu einer Verbesserung bei und riefen Osteoporose an den Lendenwirbeln hervor.

 

Der junge John wusste, wie schwach er war, doch sein Wunsch, dem Land zu dienen, gepaart mit seinem inneren Zwang, überall der Beste zu sein, waren stärker als die Warnsignale seines Körpers. Nachdem er wegen seiner Rückenprobleme zuerst beim Militär abgelehnt worden war, verhalf ihm sein Vater 1941 zu seiner Aufnahme beim United States Marine Corps. Er bekam zunächst eine Bürotätigkeit zugewiesen, besuchte aber nach dem Angriff auf Pearl Habour die Marineschule und wurde als Kommandant des Patrouillentorpedobootes PT 109 in den Pazifik geschickt. Nach einem Angriff auf PT 109 verletzte er seinen ohnehin schon schwachen Rücken, rettete aber einem Kameraden das Leben und wurde daraufhin als Held gefeiert. Kennedys mangelnde Rücksicht auf seine eigene Gesundheit ist sicherlich auch ein Grund dafür, dass eine Verbesserung des Gesamtzustandes nicht eintreten konnte.

1947 diagnostizierten Ärzte in London die Addisonsche Krankheit, eine Unterfunktion der Nebennierenrinde, die außerdem eine allgemeine Schwächung des Immunsystems zur Folge hat. Das vorerst nicht definierbare Leiden hatte nun endlich einen Namen. Die Entdeckung des Kortisons in den späten 30er Jahren kam Kennedy zugute und er bekam ein entsprechendes Depotpräparat unter die Haut gesetzt. Zum ersten Mal zeigte sich eine deutliche Verbesserung seines Zustandes, da er nun auch seine Medikamente regelmäßiger einnahm. Ärzte prognostizierten zum damaligen Zeitpunkt, dass er nicht mehr länger als ein Jahr zu leben hätte.

 

Die Rückenschmerzen wurden eine besonders große Last, als er sich 1952 zunehmend um den Wahlkampf zum Amt des Senators von Massachusetts kümmerte und sich auf Reise begab. Kennedy war in seiner Bewegung stark eingeschränkt und lange Autofahrten mussten für ihn fast unerträglich gewesen sein. Er hatte Probleme sich anzukleiden und bewegte sich fast ausschließlich mit Krücken von Ort zu Ort. Nachdem er sich 1954/55 einer schweren Operation an der Wirbelsäule unterzog, lag Kennedy zwischen 1955 und 1957 insgesamt neun Mal im Krankenhaus. Folglich bekam er den Spitznamen »der abwesende Senator« verliehen. Schwäche zeigen wollte er besonders im Amt des Präsidenten jedoch nicht und so vermied es Kennedy stringent, mit Krücken von Pressephotographen abgelichtet zu werden.

 

Gerüchte seitens der Presse, die während des Präsidentschaftswahlkampfes 1960 über seine Gesundheit aufkamen, verstärkt durch seinen auffälligen bronzeartigen Teint, eine Folge der Addisonschen Krankheit, wurden von seinen Unterstützern heftig dementiert. So hieß es unter anderem: »Senator Kennedy hat keine Addisonsche Krankheit. Er nimmt keine Medikamente. Er nimmt kein Kortison.«

 

Ironischerweise nahm er während seiner Amtszeit täglich zwölf verschiedene Medikamente ein, unter anderem Antidepressiva, Kortison und Methadon. Vor öffentlichen Auftritten bekam er zahlreiche Procain-Injektionen, um die Schmerzen halbwegs erträglich werden zu lassen. Er litt zudem an Lebensmittelallergien sowie regelmäßig an schwerem Durchfall, Fieber und Schlaflosigkeit.

 

Sein treuester Begleiter wurde neben orthopädischen Schuhen der Schaukelstuhl. Alle Aufenthaltsorte des Präsidenten, sogar die Air Force One, verfügten über ein zusammenklappbares Modell.

 

Ob das amerikanische Volk John F. Kennedy 1960 zum Präsidenten gewählt hätte, wenn die gesamte Wahrheit über sein Leiden schon bekannt gewesen wäre, bleibt umstritten. Man kann und muss aber im Nachhinein sagen, dass sein Durchhaltevermögen und sein Wille, in Hinblick auf die Krankheit und ihre Auswirkungen, enorm waren.

 

CP