100 Tage Kennedy im Weißen Haus: Eine Bilanz

Ein halbes Jahrhundert nach Präsident Kennedys Amtsantritt erinnert man sich heute vornehmlich an die glorreichen »1000 Tage« der Camelot-Ära. Weniger erfreut war Präsident Kennedy allerdings damals über die kritische Einschätzung des Time Magazine über seine ersten 100 Tage im Weißen Haus. Der Artikel hob hervor, dass die Regierung von einer monatelangen Serie von Rückschlägen gekennzeichnet war, die in dieser Form in der Geschichte der Republik einmalig waren. Wahrhaftig erbte Kennedy von seinem Vorgänger eine Reihe schwerwiegender innen- sowie außenpolitischer Probleme, die die ersten 100 Tage zu einer Kraftprobe für Kennedy werden ließen.

 

Zehn Tage nach der Amtseinführung erklärte Präsident Kennedy in seiner Rede zur Lage der Nation, dass die wirtschaftliche Lage des Landes sofortiges Handeln erfordern würde, aber auch, dass sich die Fronten des Kalten Krieges verhärtet hätten. In Kennedys erster Pressekonferenz, die, zum ersten Mal in der Geschichte der USA, am 25. Januar 1961 live im Fernsehen ausgestrahlt wurde, teilte er der amerikanischen Bevölkerung mit, dass im Juli des vorherigen Jahres ein RB-47-Aufklärungsflugzeug über der Barentssee von sowjetischen Kampfflugzeugen abgeschossen wurde. Wenige Wochen später erfuhr Kennedy, dass die Sowjetunion im Wettlauf um die Vorherrschaft im Weltall zudem einen entscheidenden Sieg erringen konnte. Nachdem der russische Satellit Sputnik 1957 erfolgreich ins All geschossen worden war, umkreiste Yuri Gagarin als erster Mensch im All am 12. April 1961 die Erde.

 

Das größte außenpolitische Problem der Kennedy-Administration ruhte allerdings 90 Meilen vor der Küste Floridas. Mit der Machtübernahme Fidel Castros 1959 hatte sich Kuba zu einem weiteren Satelliten des Kremls etabliert. Noch während der Präsidentschaft Eisenhowers wurde an einem Plan gearbeitet, das Castro-Regime zu stürzen. Kennedy stand dem Unternehmen von Anfang an kritisch gegenüber, hatte am 7. Februar allerdings dennoch Wirtschaftssanktionen gegen den Inselstaat verhängt und beugte sich  am Ende der Mehrheit des Militärs. Das Unternehmen, welches auch unter dem Namen »Bumping Road« bekannt war, war jedoch von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die kleine Gruppe von 1.400 Exil-Kubanern wurde unzureichend vorbereitet, bewaffnet und stand am 17. April einem 20.000-köpfigen Heer Castros gegenüber. Drei Tage später, in einer Pressekonferenz am 20. April, gab der Präsident öffentlich bekannt, dass er alleine für das Unternehmen verantwortlich sei, ein Schritt, der ihm am Ende bei der amerikanischen Bevölkerung dennoch große Sympathiepunkte im Krisenmanagement einbrachte. 

Dennoch befürchtete man in Washington, dass Kuba einen Dominoeffekt in Südamerika auslösen könnte. Ähnliche Bedenken beunruhigten die politischen Gemüter in Washington bezüglich Laos. Der Bürgerkrieg zwischen prokommunistischen und proamerikanischen Kräften drohte zu eskalieren und sich im schlimmsten Fall auf Nachbarstaaten auszuweiten. Schon am 28. Januar rief Kennedy das erste Treffen des Nationalen Sicherheitsrates zusammen, um die Lage in Vietnam zu erörtern. Am 26. März folgte der Antrittsbesuch des britischen Premierministers in Washington, bei dem vor allem nach einer Lösung für das Ende des Bürgerkrieges in Laos gesucht wurde.

 

Trotz aller außenpolitischen Krisen: die Schaffung des Peace Corps ist eine Erfolgsgeschichte der ersten 100 Tagen unter Kennedy. Gegründet am 1. März 1961, gewann das Projekt, das unter der Schirmherrschaft des am 18. Januar 2011 verstorbenen Robert Sargent Shriver, Jr., stand, landesweit an großer Popularität. Schon in den ersten zwei Jahren waren 7.300 freiwillige Studenten in 44 Ländern unterwegs. Das erste Unternehmen des Peace Corps, ein Straßenbauprojekt in Tansania, nahm am 1. April seine Arbeit auf. Zusätzlich erweiterte Kennedy am 24. Januar das Food for Peace Program, welches schon unter der Präsidentschaft von Eisenhower Nahrung im Wert von einer Milliarde US-Dollar in 60 Länder exportierte.  

 

Auch wenn sein Interesse vornehmlich der Außenpolitik galt, so war Kennedy durchaus bewusst, dass er sich auch mit innenpolitischen Fragen beschäftigen musste. Seine erste Amtshandlung bestand wohl auch aus diesem Grund in der Verfügung zur Erweiterung des Programms zur Verteilung von Nahrungsmitteln an bedürftige Familien. Weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft mussten allerdings auch unweigerlich folgen. Die USA waren zum dritten Mal innerhalb von sieben Jahren von einer Wirtschaftkrise heimgesucht worden, welche die höchste Arbeitslosenquote seit 20 Jahren als Folge hatte. Mit gezielten Programmen wollte Kennedy der Krise in den ersten 100 Tagen entgegenwirken, welche er in den kommenden Wochen im Kongress vortrug. Am 2. Februar erfolgte Kennedys Vorschlag für ein verbessertes Food Stamp Program. Wenige Tage später, am 9. Februar 1961, schlug er ein Gesundheitsgesetz für ältere Menschen vor, gefolgt von einem Vorschlag, der den Mindestlohn auf 1,25 US-Dollar festlegen sollte. Am 20. Februar unterstrich er zudem die Notwendigkeit für mehr finanzielle Mittel für Bildung und plädierte am 9. März für den Area Redevelopment Act. Zu Kennedys Erleichterung erholte sich die Wirtschaft im Frühjahr merklich. Während im März noch 35 Prozent davon überzeugt waren, dass die Arbeitslosenrate in den kommenden sechs Monaten erneut steigen würde, waren es Ende April 1961 nur noch 18 Prozent. 

 

Als Kennedy am Morgen des 21. Januar seine Arbeit aufnahm, herrschte Aufbruchstimmung im Weißen Haus. Kennedy versuchte die Euphorie seiner Amtseinführung beizubehalten, um sein Unternehmen New Frontiers innen- sowie außenpolitisch durchzusetzen. Vehement stellte er sein innenpolitisches Reformprogramm im Kongress vor. Auch halfen ihm die außenpolitischen Rückschläge, die das Time Magazine am Ende der ersten 100 Tage angeprangert hatte, spätere Krisen erfolgreich zu meistern. So gestand Kennedy seinem Berater Arthur Schlesinger später, dass das Schweinebucht-Fiasko ihn davor bewahrte, in Laos einzumarschieren. Er verstand es später, delikate außenpolitische Angelegenheiten diplomatisch aber dennoch offensiv anzugehen. Innenpolitisch überraschte er seine Kritiker zum Beispiel mit der Bildung des President’s Committee on Equal Employment Opportunity am 6. März 1961, obwohl die Kennedy-Administration später überwiegend zurückhaltend auf die Bürgerrechtsbewegung reagieren würde. Auch wenn die Regierung anfangs von Rückschlägen gekennzeichnet war, so waren es laut Robert Kennedy Tage »[...] when we thought we were succeeding because of all the stories on how hard everybody was working.« 

 

FA