The Good, the Bad, and the Ugly

Politische Duelle im Fernsehen

Wenn zwei Wochen vor der Bundestagswahl Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier zum Kanzlerkandidatenduell antreten, stellen sie sich in eine Tradition, die in Deutschland noch recht neu, weltweit aber mittlerweile ein halbes Jahrhundert alt ist. Zwar gab es Rededuelle zwischen politischen Kontrahenten schon in der griechischen Antike – da die alten Griechen noch keine Fernsehgeräte kannten, lässt sich dies hier getrost vernachlässigen. Werfen wir daher einen Blick in die erste wirkliche Mediendemokratie und auf die Herkunft der Fernsehduelle.


Kennedy vs. Nixon

Die erste politische Debatte zwischen zwei konkurrierenden Politkern, die auch vom Fernsehen übertragen, aber noch nicht exklusiv für dieses konzipiert worden war, fand 1956 in den USA statt. Das erste reine TV-Duell, das diesen Namen auch verdient, ist hingegen sehr vielen bekannt und ins kollektive kulturelle Gedächtnis eingegangen. Es fand am 26. September 1960 zwischen den beiden Bewerbern um das Präsidentenamt, Richard Nixon und John Kennedy, in Chicago statt.

 

Zu einem politikwissenschaftlichen Standardwerk avancierte die Studie »The Great Debates« von Sidney Kraus aus dem Jahr 1962, die sich besonders an den medial ausgefochtenen Debatten zwischen Kennedy und Nixon abarbeitete. Kraus sah die jugendliche und dynamische Ausstrahlung Kennedys als wichtigen Baustein zu dessen Wahlsieg.

Da dieser Erfolg an den Urnen zudem denkbar knapp ausfiel, erlangte das »gewonnene« TV-Duell in vielen Augen schnell die Bedeutung, ausschlaggebend gewesen zu sein. Gesteigert wurde diese Annahme durch eine Studie, die rasch breite Bekanntheit erlangte. Diese Untersuchung ging dem Postulat nach, allein Kennedys Visualität habe den Ausschlag gegeben, ihn als Sieger des TV-Duells zu sehen. So zeigte die Studie auf, dass Menschen, die den Schlagabtausch der Rivalen im Radio verfolgt hatten, eher Nixon als Sieger sahen und nicht Kennedy. So plausibel das klingen, und so passend sich dies in unsere Vorstellungswelt auch einfügen mag, die Studie wird heute stark in Zweifel gezogen und scheint wohl nicht fundiert genug zu sein. Interessanterweise ist das Bild, das die Studie entworfen hatte, mittlerweile so oft als Wahrheit geschildert worden, dass es in gewisser Weise selbst eine Wahrheit wurde. Hinzu kommt die Plausibilität der vermeintlichen Ergebnisse. Nixon selbst war während des Duells stark angeschlagen, da er nur kurz zuvor aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Außerdem wirkte er in seinem grauen Anzug vor der ebenfalls grauen Studiokulisse nicht so telegen wie Kennedy, der sich für einen dunklen Anzug entschieden hatte. Nebenbei trug auch Nixons Gesichtsbehaarung – so will es der Mythos – zu seiner gefühlten Niederlage im televisuellen Zweikampf mit Kennedy bei. Der berühmte »five o’clock shadow«, Begriff für den Bartschatten Nixons, ist seither berühmt und viel zitiert. Die vielen Einzelheiten und Legenden, die im Laufe der Zeit um das erste Fernsehduell gesponnen wurden, ließen schnell vergessen, dass ihm noch vier weitere Aufeinandertreffen zwischen Kennedy und Nixon folgten.

 

Auswirkungen von Fernsehduellen

Werden in Deutschland häufig die systemfremde Personalisierung, die Hervorhebung eher sekundärer politischer Kriterien und die Benachteiligung der nicht teilnehmenden Kandidaten kleinerer Parteien kritisiert, so konnte man in den USA zusätzlich auch den Bedeutungsverlust der Parteien und den politischen Bedeutungszugewinn der Medien beobachten. Innerhalb von zehn Jahren nach dem TV-Duell von 1960 wurden die amerikanischen Vorwahlen zur Präsidentschaft, die so genannten »primaries«, sehr stark demokratisiert. Die Mediatorwirkung der Parteien schwand. Die Kandidierenden sprachen fortan viel stärker die Wähler direkt an. Gleichzeitig bewirkte die Konzentration auf die mediale Vermittlung ihrer Ziele eine Verschiebung der Selbstdarstellung der politischen Akteure, die nun eher auf die fernsehgerechte Wirkung ihres Auftretens achteten. 

 

Wie sehr diese Entwicklung in den USA bereits vorangeschritten ist, konnten wir erst im vergangenen Jahr beobachten. Die Redegewandtheit und Professionalität der Präsidentschaftskandidaten lieferten eindrucksvoll den Beleg für die Wichtigkeit von Persönlichkeitsmerkmalen der Kandidaten für deren Akzeptanz in der Wählerschaft.

Der Blick auf die Geschichte der Fernsehduelle eröffnet hier also durchaus Verständnis dafür, welch tief greifende Veränderungen damit einhergingen und zeigt, dass auch hier die Geschichte der Kennedys ein weiteres Mal eng mit der Geschichte moderner politischer Kultur und Rezeption verbunden ist.

 

CJ