»Ich bin ein Berliner«


© Photographie von Robert Knudsen · White House Photographs · John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston
© Photographie von Robert Knudsen · White House Photographs · John F. Kennedy Presidential Library and Museum, Boston

John F. Kennedy · Berlin, 26. Juni 1963

 

[...] Ich bin stolz darauf, heute in Ihre Stadt in der Gesellschaft eines amerikanischen Mitbürgers gekommen zu sein, General Clays, der hier in der Zeit der schwersten Krise tätig war, durch die diese Stadt gegangen ist, und der wieder nach Berlin kommen wird, wenn es notwendig werden sollte.

 

Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Satz, den ein Mensch sagen konnte, der: »Ich bin ein Bürger Roms.« Heute ist der stolzeste Satz, den jemand in der freien Welt sagen kann: »Ich bin ein Berliner.« Ich bin dem Dolmetscher dankbar, dass er mein Deutsch noch besser übersetzt hat.

 

Die Demokratie ist nicht vollkommen

 

Wenn es in der Welt Menschen gibt, die nicht verstehen oder nicht zu verstehen vorgeben, worum es heute in der Auseinandersetzung zwischen der freien Welt und dem Kommunismus geht, dann können wir ihnen nur sagen, sie sollen nach Berlin kommen. Es gibt Leute, die sagen, dem Kommunismus gehöre die Zukunft. Sie sollen nach Berlin kommen. Und es gibt wieder andere in Europa und in der Welt, die behaupten, man könne mit dem Kommunismus zusammenarbeiten. Auch sie sollen nach Berlin kommen.

 

Und es gibt auch einige wenige, die sagen, es treffe zwar zu, dass der Kommunismus ein böses und schlechtes System sei, aber er gestatte es, wirtschaftlichen Fortschritt zu erreichen. Lasst auch sie nach Berlin kommen! Ein Leben in Freiheit ist nicht leicht, und die Demokratie ist nicht vollkommen. Aber wir hatten es nie nötig, eine Mauer aufzubauen, um unsere Leute bei uns zu halten. [...]

 

Die Mauer ist die abscheulichste und stärkste Demonstration für das Versagen des kommunistischen Systems. Die ganze Welt sieht dieses Eingeständnis des Versagens. Wir sind darüber keineswegs glücklich; denn, wie Ihr Regierender Bürgermeister gesagt hat, die Mauer schlägt nicht nur der Geschichte ins Gesicht, sie schlägt der Menschlichkeit ins Gesicht. Durch die Mauer werden Familien getrennt, der Mann von der Frau, der Bruder von der Schwester, und Menschen werden mit Gewalt auseinander gehalten, die zusammen leben wollen.

 

Was für Berlin gilt, gilt für Deutschland: Ein echter Friede in Europa kann nicht gewährleistet werden, solange jedem vierten Deutschen das Grundrecht einer freien Wahl vorenthalten wird. In 18 Jahren Frieden und der Verlässlichkeit hat diese Generation der Deutschen sich das Recht verdient, frei zu sein, einschließlich des Rechtes, die Familien und die Nation in dauerhaftem Frieden wiedervereinigt zu sehen, in gutem Willen gegen jedermann.

 

Die Freiheit ist unteilbar

 

[...] Zum Schluss fordere ich Sie auf, den Blick über die Gefahren des Heute hinweg auf die Hoffnung des Morgen zu richten, über die Freiheit dieser Stadt Berlin und über die Freiheit Ihres Landes hinweg auf den Vormarsch der Freiheit überall in der Welt, über die Mauer hinweg auf den Tag des Friedens mit Gerechtigkeit. Die Freiheit ist unteilbar, und wenn auch nur einer versklavt ist, dann sind nicht alle frei. Aber wenn der Tag gekommen sein wird, an dem alle die Freiheit haben und Ihre Stadt und Ihr Land wieder vereint sind, wenn Europa geeint ist und Bestandteil eines friedvollen und zu Hoffnungen berechtigten Erdteiles, dann [...] können Sie mit Befriedigung von sich sagen, dass die Berliner und diese Stadt Berlin fast zwanzig Jahre lang die Front gehalten haben.

 

Alle freien Menschen, wo immer sie leben, sind Bürger dieser Stadt Berlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu können: »Ich bin ein Berliner.«