John F. Kennedys Besuch in West-Berlin

Am 26. Juni 1963 sprach John F. Kennedy die berühmten Worte, die seine Frau später einmal als die bekanntesten ihres Ehemannes bezeichnete. Am 3. Januar 1964 schrieb Jackie Kennedy in einem Brief an Willy Brandt: »Es ist eigentümlich – manchmal denke ich, daß die Worte meines Mannes, an die man sich am meisten erinnern wird, jene waren, die er nicht in seiner eigenen Sprache ausgedrückt hat: ‘Ich bin ein Berliner.’«

 

Der Aufenthalt in Berlin war für Kennedy die wohl wichtigste Station seiner Deutschlandreise vom 23. bis 26. Juni 1963. Neben seiner weltberühmten Rede am Rathaus Schöneberg unternahm er noch eine Visite beim Gewerkschaftskongress, besichtigte das Brandenburger Tor sowie den Checkpoint Charlie, hielt eine Rede an der Freien Universität und besuchte die in Berlin stationierten amerikanischen Truppen.

 

Ein Besuch West-Berlins war im Rahmen der Europareise des amerikanischen Präsidenten ursprünglich nicht vorgesehen. John F. Kennedy lehnte der amerikanischen Presse zufolge einen Aufenthalt in der geteilten Stadt aus taktischen Gründen ab, um das bereits angespannte Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der UdSSR nicht weiter zu verschlechtern. Im Jahre 1961 hatte Kennedy drei »Essentials« als die Hauptinteressen der USA gegenüber Deutschland festgelegt. Das erste der »vitalen Interessen« nahm Bezug auf das Recht der alliierten Mächte, in den ihnen zugeteilten Besatzungs-gebieten präsent zu sein. Die anderen beiden »Essentials« bezogen sich auf das Zugangsrecht der Alliierten nach Berlin und betonten die Wichtigkeit des Schutzes der Einwohner West-Berlins durch die Westmächte.

 

Willy Brandt, Regierender Bürgermeister West-Berlins, schickte am 12. März 1963 einen Brief an Kennedy. Darin bekräftigte er, dass die »Moral« in Berlin gut sei, dass aber, angesichts der Schwierigkeiten im westlichen Lager ein Besuch in Berlin durch ein gemeinsames Auftreten aller drei Westalliierten die Einheit des Westens weithin sichtbar demonstrieren würde. Das Anraten einer Berlin-Reise von Seiten seines Bruders Robert F. Kennedy und des Außenministeriums führten letzten Endes dazu, dass Ende März die Berlin-Visite John F. Kennedys verkündet wurde. Der geschäfts-führende Minister im Außenministerium, McGeorge Bundy, sagte, dass Kennedy politischen Wert verschenken würde, wenn er die geteilte Stadt nicht mit in den Deutschlandbesuch einbezöge und fand sehr klare Worte: »Er muss Berlin besuchen.«

 

Als Kennedy am 26. Juni am Flughafen Tegel eintraf, war dies der Tag, an dem 15 Jahre zuvor die Berliner Luftbrücke in die Wege geleitet worden war. Lucius D. Clay, Initiator der Luftbrücke, begleitete Kennedy auf dessen Wunsch während seines Aufenthaltes in der geteilten Stadt. Bei der späteren Rede vor dem Rathaus Schöneberg würdigte Kennedy die Verdienste Clays, woraufhin in der Menschenmenge ein Begeisterungssturm losbrach.

Nach dem Empfang John F. Kennedys durch Bundeskanzler Konrad Adenauer, Bürgermeister Willy Brandt und den Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses, Otto Bach, fuhr die Wagenkolonne des amerikanischen Präsidenten in Richtung Kongresshalle. Dort hielt Kennedy eine kurze Rede beim 6. Ordentlichen Gewerkschaftstag der »IG Bau, Steine, Erden«. Georg Leber, Vorsitzender der Gewerkschaft, überreichte dem amerikanischen Präsidenten einen Blumenstrauß, der von Gewerkschaftern Ost-Berlins stammte und zuvor über Schmuggelwege nach West-Berlin gelangt war.

 

In der DDR wurden Presse und Fernsehen hingegen von der »Agitationskommission beim ZK der SED« dazu angehalten, den Besuch John F. Kennedys in West-Berlin »auf keinen Fall überzubewerten«. Die Regierung veranlasste am 25. Juni 1963 zudem, dass das Brandenburger Tor mit großen roten Stoffbahnen verhangen wurde, sodass Kennedy während seines Besuchs am nächsten Tag nicht auf die andere Seite sehen konnte. Ferner ließ das DDR-Regime eine Tafel anbringen, die den Präsidenten auf Englisch an die Vereinbarungen von Jalta und Potsdam erinnern sollte.

 

Im Anschluss an seinen Besuch beim Gewerkschaftskongress besichtigte Kennedy das Brandenburger Tor und den Checkpoint Charlie. Laut einem Bericht des US-Fernsehsenders NBC war es »offensichtlich, daß er emotional erregt war, durch das, was er hier gesehen hatte.« Seine bereits vorbereitete Rede vor dem Schöneberger Rathaus änderte Kennedy daher kurz vor seinem Auftritt noch einmal um. Ursprünglich sollte seine Ansprache inhaltlich eher moderat gehalten werden, im Einklang mit der von ihm angestrebten Koexistenzpolitik. Die USA waren auf ein möglichst neutrales Verhältnis zur UdSSR aus, um ein Atomteststopp-Abkommen zu ermöglichen. Vor dem Rathaus Schöneberg, wo sich Schätzungen zufolge bis zu 450.000 Menschen versammelt hatten, bezog der amerikanische Präsident jedoch deutlich Stellung. Er sprach sich gegen den Kommunismus aus und kritisierte die Errichtung der Berliner Mauer, was er in einem Satz deutlich formulierte: »Die Mauer ist die abscheulichste und stärkste Demonstration für das Versagen des kommunistischen Regimes.« Zudem sicherte Kennedy den West-Berlinern durch den lautstark umjubelten Satz »Ich bin ein Berliner« seine Unterstützung zu. Nach der emotionsgeladenen Rede des Präsidenten, die großen Anklang beim Berliner Publikum fand, wurde im Rathaus ein Mittagessen eingenommen. Anschließend ging es zur vorletzten Station des Präsidenten-besuchs, der Freien Universität, wo Kennedy das Ehrenbürgerrecht erhielt. Nach seiner Ansprache an der FU traf der Präsident schlussendlich am Hauptquartier der amerikanischen Truppen ein, wo er einige Worte zu den Soldaten sprach. Kennedy ließ die Truppen wissen, dass sie vollsten Rückhalt in der amerikanischen Bevölkerung hätten und dass er sich der schwierigen Lage, in der sie sich befänden und die in der amerikanischen Geschichte einmalig sei, voll und ganz bewusst sei.

 

Auf dem Rückweg zum Flughafen Tegel erwarteten den Präsidenten jubelnde Menschenmengen an den Straßenrändern. Vor seinem Abflug bedankte Kennedy sich noch einmal für den herzlichen Empfang der ihm bereitet worden war und sagte, dass er für seinen Nachfolger eine Nachricht hinterlegen wolle, für den Fall dass schlechte Zeiten kämen. Darin würde zu lesen sein: »Go to Germany.« Der Berlin-Besuch, der im Vorfeld so stark umstritten war, war letzten Endes einer der größten Erfolge der Amtszeit Kennedys.

 

KP