Hau Ruck – ein Präsident und eine Statue

Obama in Kairo

Nachdem wir nun schon einige Male herausgestellt haben, was Barack Obama für ein feiner Rhetoriker ist, blieb er uns auch in diesem Monat den Beweis hierzu nicht schuldig. In seiner Rede vor der Universität Kairo, – mit zweihunderttausend Studierenden eine der größten Hochschulen der Welt –, präsentierte er ein neues Bild der amerikanischen Regierung. An den Aussagen, vor allem aber am Gestus, dieses rhetorischen Paradebeispiels wird Obamas Regierung in den kommenden Monaten und Jahren gemessen werden.

 


Sieben Punkte statt vierzehn

Schon die Begrüßung der Anwesenden verriet, welchen Weg Präsident Obama einzuschlagen gedenkt, wenn es um die Beziehungen der Vereinigten Staaten zu muslimisch geprägten Gesellschaften geht. Neben den arabischen Gruß- und Dankesworten wurden Anführungen aus dem Koran, der Verweis auf seine eigene Abstammung und seine Kindheit in Indonesien sowie Geschichten von der muslimischen Gemeinde der USA von Obama an Schlüsselstellen seiner Ansprache eingebaut. Kern der Rede war das Versprechen, dass die USA fortan weit weniger offensiv danach streben werden, Demokratie nach ihrem Verständnis in der Welt zu verbreiten. Vielmehr sollen stattdessen althergebrachte Strukturen muslimischer Staaten respektiert werden, solange diese nicht die Rechte von Frauen und Andersdenkenden beschneiden. Gepaart mit all dieser Diplomatie und besonders auch Empathie gegenüber der Welt tauchte erneut auch Obamas hehres Ziel der weltweiten atomaren Abrüstung wieder auf.

 

Unterteilt war die Ansprache in sieben verschiedene Unterpunkte, die, bemerkenswert gut voneinander abgetrennt, Obamas Ziele und Programme in den nächsten Jahren umrissen. Wenn er auch an keiner Stelle direkt auftauchte, so fühlte man sich doch an Obamas Amtsvorgänger Woodrow Wilson erinnert, der mit vergleichbarem Tatendrang seine »Vierzehn Punkte« präsentiert hatte. Das war vor über neunzig Jahren. Von den vierzehn visionären Vorschlägen Wilsons konnten indes nur wenige realisiert werden. Wilson ging in die Geschichte ein als global denkender und gebildeter Politiker, der für eine multilaterale Weltordnung eintrat und im Endeffekt scheiterte.

 

Präsident Obama personifiziert wie wenige andere Staatschefs die Globalisierung des späten zwanzigsten Jahrhunderts. Er vereint in seiner Person den Anspruch auf verschiedene Kulturen und kann so glaubhaft in unterschiedlichen Teilen der Welt Legitimation beanspruchen. In seinen Worten an die ägyptischen Studentinnen und Studenten ließ er diesen Anspruch deutlich zu Tage treten.

 

Große Hoffnungen

Einerseits müsste uns diese Rede phänomenal anmuten angesichts der oft als ignorant wahrgenommenen Außenpolitik seines Vorgängers und der Vertreter anderer westlicher Staaten. Andererseits aber scheint die enorme Erwartungshaltung, die mit der Heilsgestalt Obama verbunden ist, solche Ansprachen bereits erwartbar gemacht zu haben. Fast scheint es, als würden solch eindeutige Signale der Dialogbereitschaft, z. B. gegenüber dem Iran, als selbstverständlich erachtet werden.

 

Überall auf der Welt wecken Obamas Art der Amtsführung und seine Versprechen Hoffnung. Vermehrt tauchen aber auch unvermeidbar Stimmen auf, die bezweifeln, dass alles Wirklichkeit werden kann, was Obama verspricht. Trotzdem. Können wir aus den bisherigen fünf Monaten von Obamas Amtszeit schon ein Fazit ziehen?

 

Sturz einer Statue

Erinnern wir uns zurück. Als im April 2003 amerikanische Soldaten einer überlebensgroßen Statue Saddam Husseins den Strick umlegten und sie umrissen, signalisierten die Bilder dieser Aktion – nicht eben subtil – das vorzeitige Ende der Laufbahn des irakischen Diktators.

 

So wie die amerikanischen Soldaten damals starke Bilder liefern wollte, als sie dem Hussein-Denkmal den Strick umlegten und es in den Staub rissen, so macht sich Präsident Obama momentan – sinnbildlich – an einer anderen Statue zu schaffen. Diese andere Statue ist das Bild, das sich die Welt in den letzten Jahren und Jahrzehnten von den USA gemacht hat. Cowboy-Manier, Bully, Großer Satan – Schlagwörter, an die sich die Menschen in den letzten Jahren gewöhnt hatte und in deren Implikationen sie eine Erklärung für die Geschehnisse auf der Welt fanden.

Barack Obama kann dieses Bild von den USA nicht allein verändern. Er kann all das, was er versprochen und angestoßen hat, nicht allein verwirklichen. Mit seiner Rede in Kairo aber hat er der Statue vom „Großen Satan“ den Strick um den Hals gelegt.

 

CJ